„Es hat keinen Sinn, ich spring vor den Zug“

„Es hat keinen Sinn, ich spring vor den Zug“

Vor ein paar Tagen war ich an einem Bahnhof. Ich lief gerade die Treppe von der Unterführung zum Gleis hoch. Oben angekommen schauten mich ein paar Jugendliche und Erwachsene etwas hilflos an. Ich wunderte mich warum sie mich so anschauten…

Vielleicht stimmte hier irgendwas nicht.

Nach wenigen Sekunden verstand ich die hilfesuchenenden und fragenden Blicke.

Ein Mann Mitte 30 hatte eine Frau fest am Arm gepackt. Die junge Frau (ca. 20 Jahre) rief laut „Es hat alles keinen Sinn mehr, ich springe vor den Zug“

Schnell ging ich zu dem Mann und redete kurz mit ihm. Er kannte die junge Frau nicht. Sie wollte sich gerade vor den einfahrenden Zug stürzen, als der Mann sie gerade noch davon abhalten konnte.

Nachdem die Polizei verständigt wurde versuchte ich die junge Frau in ein Gespräch zu verwickeln. Sie reagierte aber nur zögerlich auf meine Fragen…

Sie blickte nur wie gebannt auf die Gleise. War so ein grausamer Tod wirklich ihr einziger Ausweg?

„Es hat alles keinen Sinn mehr, ich möchte sterben“. Diesen Satz wiederholte sie immer wieder laut.

Viele der am Gleis Stehenden taten so als ob nichts passiert wäre..

„Meine Mutter liebt mich nicht mehr“, sagte sie weiter.

Ich versuchte ihr zu erklären, dass Gott sie liebt und dass sie sich sicher sein kann dass es ihm nicht egal ist wie es ihr geht. Genauso wie es uns nicht egal ist..

Sie rief daraufhin „Gott hat mich auch vergessen.“

Der nächste Zug an dem Gleis an dem wir standen wurde über die Lautsprecher angesagt. In der Ferne hörte ich schon das Martinshorn der Polizei und des Rettungsdienstes.

Jetzt versuchte es die Junge Frau nochmal. Mit all ihrer Kraft wollte sie sich losreißen und auf die Gleise springen.

Während uns viele Passanten am Gleis hilflos anstarrten standen wir beide Männer da und hielten die Frau an den von den Handgelenken bis zu den Oberarmen stark vernarbten Armen fest. Sie muss sich schon oft mit dem Messer geritzt haben dachte ich.

Kurz darauf kamen die Kollegen vom Streifendienst und Rettungsdienst. Sie kümmerten sich weiter um die Frau.

Warum schreibe ich das? Nein, nicht weil ich für diese Tat gelobt werden möchte! Das Lob gehört dem Mann der geistesgegenwärtig als einziger Eingriff.

Heute wird nicht mehr viel miteinander geredet. Die Leute stehen wie versteinert am Bahnsteig. Es wird so gut wie nichts mehr miteinander gesprochen. Wie ferngesteuert laufen die Menschen herum und jeder einzelne schaut nur auf sein kaltes Smartphone. Sie leben in einer anderen Welt und interessieren sich nicht mehr für andere. Bei schwierigen Situationen wird oft weggeschaut. Am Bahnsteig waren so viele Leute und nur einer kümmerte sich mit vollem Einsatz um die junge Frau und hielt die fest.

Was wäre wohl passiert, wenn dieser eine Mann nicht gleich gehandelt hätte? Hätten all die anderen zugeschaut wie die Frau auf die Gleise gesprungen wäre? Hätte es die umstehenden überhaupt interessiert oder wären einige vielleicht auf die Idee gekommen das ganze zu filmen?

Liebe Eltern, Geschwister und Freunde. Es ist so unbeschreiblich wichtig, dass wir uns besonders in der eigenen Familie regelmäßig zu bestimmten Mahlzeiten, an einen Tisch setzten und miteinander reden. (Und das Handy ist dann einfach mal ausgeschaltet!). Ja das geht, es hat einen Ausschaltknopf!!

Es ist so wichtig, dass wir uns in die Augen schauen und uns ehrlich vergeben. Es ist so wichtig, dass wir uns gegenseitig sagen, dass wir uns Lieben und uns gegenseitig in die Arme nehmen. Es ist so wichtig bewusst Zeit mit unseren Kindern zu verbringen!

Was hat die junge Frau wohl zuhause und in ihrem sozialen Umfeld erlebt, dass sie so verzweifelt war. Warum hörte niemand Ihre Hilfeschreie nach Geborgenheit, Angenommensein und Liebe?

Wie verzweifelt muss ein Mensch sein, dass er sich umbringen möchte…

„Jeder von uns ist ein Bodyguard“ sagte Michael Stahl bei einem Workshop. An diesem Satz ist wirklich was dran!
Jeder von uns kann andere schützen, sich um andere kümmern und helfen, egal wie alt, egal wie sportlich man ist.

Möge Gott uns immer die Kraft geben in den richtigen Situationen schnell zu handeln. Sodass wir unsere Chancen nutzen.